Der Esel
Hier stehe ich neben einem fremden Ochsen in einem fremden Stall und beide blasen wir, als seien wir alte Freunde, dem neugeborenen Kind vor uns im Futtertrog unseren warmen Atem auf den kleinen Leib, damit es nicht friert. Mehr oder anderes haben wir ihm nicht zu schenken, aber warmer Heuatem ist sicher besser als nichts.
Jedes neugeborene Wesen ist ja ein kleines Wunder, ein einzigartiger Gedanke Gottes in dieser Welt. Aber dieser kleine Menschensohn ist etwas ganz Besonderes. Von ihm geht ein großer Frieden aus und auf unbeschreibliche Weise scheint sich jedes Wesen, das in seine Nähe kommt, von ihm angenommen zu fühlen.
Während ich all dies erzähle, sind Hirten in den Stall gekommen. Einer von ihnen hat ein Lammfell mitgebracht. Das breitet er über das Kind. Jetzt braucht es meinen warmen Atem nicht mehr. Ich drehe meinen Kopf besser zur Seite, bevor es dem Kind zu warm wird. Schade, es war schön, das Kind aus der Nähe anzusehen und dabei zu wärmen. Da steht neben mir plötzlich ein kleiner Junge. Wer weiß, zu wem er gehört. Vielleicht das Kind einer Bettlerin, so mager, schmutzig und zerlumpt, wie er aussieht. Er zittert vor Kälte und er hält sich im Hintergrund. Wahrscheinlich ist er es gewohnt, unwillkommen zu sein und weggejagt zu werden. Der kleine Kerl tut mir leid und so rücke ich ein wenig näher an ihn heran und blase meinen warmen Atem auf ihn. Der Junge schaut auf zu mir und plötzlich umarmt er mich und wärmt seinen kleinen kalten Körper an meinem warmen. Nach einer Weile, als seine Hände nicht mehr kalt sind, gibt mir der Junge einen dankbaren Klaps auf den Hals und lässt mich los. Dann tritt er leise ganz dicht an die Krippe heran und legt seine nun warmen Händchen behutsam um das nackte Köpfchen des Neugeborenen, so als wollte er die soeben empfangene Wärme mit dem Kind teilen. Einen kurzen Augenblick verharrt er so und läuft dann rasch davon. Maria lächelt und auch ich lächele mein schönstes Esellächeln und rufe vor Freude laut IA … und das Kind in der Krippe, wenngleich es eigentlich noch viel zu klein ist, um mit seinem Gesicht zu lächeln, lächelt im Herzen auch.