Steinigung
Wer von uns ist ohne Sünde
dass er mit Worten werfen dürfte
mit Worten wie Steinen
auf seinen Nächsten
weil der sich verging
in den Augen derer
die angeblich wissen
was gut ist und recht
Und doch – einer ist’s immer
der selbstgerecht und ohne Zaudern
den ersten Stein aufnimmt und wirft
und andre – Blut geleckt –
tun es ihm nach
tödlich vernichtend
mit Worten wie Steinen
kantig und hart
mit Worten die treffen
Schaudernd geht der Blick nach Osten
– zu Recht –
wenn dort eine Frau
des Ehebruchs schuldig
im Steinhagel stirbt
und steinharte Worte erheben wir schnell
doch seh’n wir den Balken im eigenen Auge?
Seh’n wir die Steinigungstode
die wir einander bereiten
mit unseren Worten
verletzend und spitz?
Hör’n wir den Schrei
der lebenden Toten
gesteinigt in unserer Mitte?
Wer von uns ist ohne Sünde
dass er anheben dürfte
zum ersten Wort
das den Bruder, die Schwester verurteilt?
In den Sand geschrieben
all unsre Gerechtigkeit
ein Windhauch kann sie verwehen
Sünder wir allesamt
barmherziger Gnade bedürftig
Der Herr verurteilt uns nicht
Barmherzigkeit will er nicht Opfer
Wir selbst nur sprechen das Urteil
So lasst uns schaudernd verstummen
dort wo wir Steinworte heben
mit Worten zu werfen
mit Worten wie Steinen
denn keiner ist ohne Sünde